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10 Fehler bei der Wunddokumentation | EXKLUSIVES WHITEPAPER

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Wunden richtig dokumentieren

Auf einen Blick

• Warum es so wichtig ist, richtig zu dokumentieren

• Wie Pflegefachkräfte häufige Fehler vermeiden

• Warum Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielt

• Welche digitalen Lösungen sich schnell umsetzen lassen

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10 häufige Fehler bei der Wunddokumentation ...
... und wie sie sich in der ambulanten Pflege vermeiden lassen.
Außerdem: Warum die Digitalisierung die Dokumentation, aber auch die Qualität der Wundversorgung verbessern kann.

Pflegefachkräfte in der ambulanten Pflege sind bei der Wunddokumentation besonders gefordert: Sie arbeiten allein und können, wenn sie unsicher sind, nicht schnell einmal bei Kollegen oder Ärzten nachfragen; auch müssen sie sich 100-prozentig auf die Dokumentation aller an der Wundpflege Beteiligten verlassen können.

Genauso müssen sie selbst absolut zuverlässig dokumentieren – um eine kontinuierlich hohe Pflegequalität zu gewährleisten und Nachfragen des Medizinischen Dienstes oder der behandelnden Ärzte vorzubeugen.

1. Fehler: Es werden nicht alle Kriterien der Wunddokumentation berücksichtigt

Laut Lernbegleitbuch Wundexperte ICW gehören 12 Kriterien zu einer qualitätsgerechten Wunddokumentation, etwa Lokalisation, Wundumgebung, Schweregrad und Exsudat. Aber auch zusätzliche Dispositionen des Patienten wie Stoffwechselerkrankungen, Kachexie und Allergien gilt es zu berücksichtigen.

2. Fehler: Der Patient befindet sich mal in dieser, mal in jener Position

Beispiel: ein Dekubitus am Sakrum. Wenn der Patient einmal auf der linken Seite und beim nächsten Mal auf der rechten Seite liegt, können die Maße durch die Scherung der Gewebsschichten gegeneinander anders dimensioniert sein. Das beeinträchtigt möglicherweise die Einheitlichkeit der Maßangaben. Es empfiehlt sich deshalb (besonders, wenn mehrere Pflegefachkräfte involviert sind), bei der Erstmessung, die Position für die Dokumentation festzulegen, rät Wundexpertin und Schlütersche-Autorin Susanne Danzer. Eine Fotodokumentation kann ebenfalls zur Klarheit beitragen.

3. Fehler: Was Länge und was Breite bedeutet, ist nicht klar definiert

Es passiert häufig, dass als Wundlänge die längste Achse genommen wird und als Breite die breiteteste Achse. Doch manchmal sind die Messergebnisse sehr ähnlich (Länge und Breite also leicht zu verwechseln), auch orientieren sich nicht immer alle Pflegefachkräfte daran. Deshalb ist es gut, die Messung an dem immer gleichen objektiven Bezugspunkt auszurichten, und zwar nach den Körperachsen der Betroffenen: Die Länge reicht dann von Kopf bis Fuß, die Breite von Hüftknochen zu Hüftknochen. Weil die Wunde selten eindeutig auf diesen Körperachsen liegt, hilft es, sich die Achsen als Uhr vorzustellen und diese Bezugspunkte bei der Dokumentation mit anzugeben, empfiehlt Susanne Danzer: Das Gesicht wäre die 12, die Beine die 6. Nicht wundern: Bei einer OP-Wunde am Bauch kann es dann durchaus vorkommen, dass sie 20 Zentimeter breit ist und vielleicht nur 2 Zentimeter lang.

4. Fehler: Die Wunde wird inklusive Wundtaschen gemessen

Wundtaschen sollten immer separat gemessen und dokumentiert werden. Das heißt, zuerst misst man von Wundrand zu Wundrand und anschließend vom Wundrand in die Tiefe. Die Lage der Tasche lässt sich dann wieder mit der auf dem Körper des Patienten visualisierten Uhr angeben.

5. Fehler: Es wird abgeschrieben

Es kommt gelegentlich vor, dass eine Pflegefachkraft die letzte Dokumentation übernimmt, weil sie unsicher ist. Das birgt die Gefahr, dass Veränderungen der Wunde nicht korrekt dokumentiert werden. Gerade das aber ist der Zweck der Dokumentation: Veränderungen identifizierbar zu machen und die Entwicklung der Wundheilung darzustellen. Wer unsicher ist, sollte sich die Zeit nehmen, noch einmal genau zu schauen und – wenn dann immer noch Zweifel bestehen – eine pflegerische Expertin (oder Experten) mit Weiterbildung in der Wundversorgung hinzuzuziehen.

6. Fehler: Es wird ausschließlich fotografiert

Es ist inzwischen üblich, Wunden zu fotografieren. Die Visualisierung ist auch hilfreich, besonders wenn Pflegefachkräfte darauf achten, immer aus demselben Blickwinkel zu fotografieren und die Wunde vorher zu reinigen, um immer gleiche Voraussetzungen zu schaffen, denn Zelltrümmer, Nekrosereste, eventuell Verbandreste, etc. verfälschen das Erscheinungsbild der Wunde, schreibt Susanne Danzer in ihrem Buch „Wundbehandlung“ .

Allerdings passiert es immer wieder, dass nur fotografiert wird – in der Annahme, das Foto ersetze die schriftliche Dokumentation. Das aber ist eine Fehlannahme: Das Foto ist immer nur eine Ergänzung. Die schriftliche Dokumentation hat Vorrang, weil ein Foto durch Einflussfaktoren wie Weißabgleich, Belichtung etc. die Wunde eventuell verfälscht darstellt. Außerdem lässt sich von einem Bild nicht auf Maße (auch nicht mit Wundlineal) schließen. Nachträglich eine Wunde anhand des Bildes auszumessen, ist aber nicht nur unzuverlässig, es ist auch nicht zulässig. Und Vorsicht: Software-Lösungen, die die Wundgröße bestimmen, haben ihre Grenzen, etwa bei gewölbten oder unebenen Körperoberflächen oder Wunden in Zehenzwischenräumen. Deshalb ist es am besten, immer händisch zu messen.

Hinzu kommt: Auch Exsudatmenge, Geruch und Konsistenz sowie Wundtaschen lassen sich über ein Foto nicht darstellen. Aus all diesen Gründen ist eine schriftliche Dokumentation vorgeschrieben. Der Medizinische Dienst (MD) akzeptiert die alleinige Fotodokumentation nicht, er fordert immer auch eine schriftliche Beschreibung und Bewertung der Wunde.

7. Fehler: Die Wundaufnahmen werden per WhatsApp versendet

Für viele ist es selbstverständlich, Fotos und Filme über WhatsApp zu verschicken. Das ist im privaten Bereich auch relativ unproblematisch. In dem Augenblick aber, in dem es sich um Informationen über Patienten (gesundheitsbezogene Daten) handelt, muss gesichert sein, dass die Daten geschützt sind – und das sind sie definitiv nicht, wenn sie über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram verschickt werden. Pflegedienste, die die Sicherheit der Patientendaten gefährden, müssen mit hohen Strafzahlungen rechnen: Mit der europäischen Datenschutzverordnung (DSGVO), die seit Mai 2018 verbindlich gilt, sind noch einmal strengere Maßstäbe angelegt worden.

8. Fehler: Patienten werden nicht informiert, dass Ihre Wunde fotografiert wird

Patienten müssen über die Aufnahmen informiert werden und eine Einverständniserklärung unterschreiben (übrigens auch für die schriftliche Dokumentation). Sie haben auch einen Anspruch zu erfahren, an wen die Fotos weitergeleitet werden. Selbstverständlich dürfen Patienten es ablehnen, dass die Pflegefachkraft Fotos von ihrer Wunde macht.

9. Fehler: Es werden bei jedem Verbandwechsel Fotos gemacht

Fotoaufnahmen sind routinemäßig alle 7 bis 14 Tage sinnvoll und immer dann, wenn es größere Veränderungen gibt – so die Empfehlung im Begleitbuch Wundexperte ICW.

10. Fehler: Es wird bei jedem Verbandwechsel ein Assessment gemacht

Eine Wundbeschreibung (Aussehen des Exsudats und der Umgebung, Infektionszeichen etc.) ist bei jedem Verbandwechsel nötig. Ein komplettes Assessment – etwa mit Angabe der Wundgröße etc. – ist bei gravierenden Veränderungen nötig, etwa nach chirurgischem Débridement (Entfernung abgestorbenen Wundgewebes). Bei normalem Verlauf reicht ein Assessment alle 7 bis 14 Tage. Ein sehr häufiges Assessment ist sicherlich kein Fehler im eigentlichen Sinne, aber es kostet Zeit, die für wichtigere Dinge genutzt werden könnte. Auch verschleiert es in der Dokumentation die Übersicht, wenn zu viele nicht relevante (sehr ähnliche) Inhalte notiert werden.

Die Rolle der Digitalisierung

Sicherlich, viele erfahrene Pflegefachkräfte kennen diese Fehlerquellen und geben ihr Wissen an jüngere Kolleginnen und Kollegen weiter. Doch in der ambulanten Pflege ist der Austausch schwer und für eine junge Pflegefachkraft ist es nicht so leicht wie in der Klinik oder im Pflegeheim, eine erfahrenere Kollegin zur Sicherheit abschließend auf Wunde und Dokumentation schauen zu lassen. Das Problem lässt sich aus datenschutzrechtlichen Gründen (siehe 7. Fehler) auch nicht über Messenger-Dienste wie WhatsApp & Co. lösen.

Grundsätzlich aber wäre eine digitale Übermittlung die richtige Lösung. Im Idealfall hat der Patient eine digitale Patientenakte, auf die er allen, die an seiner Versorgung beteiligt sind, Zugriff gewährt – komplexe Verschlüsselungstechnik sorgt dann dafür, dass diese gesundheitsbezogenen Daten geschützt sind. Manche Krankenhäuser arbeiten bereits mit digitalen Patientenakten, gelegentlich sind auch Arztpraxen eingebunden. Auch nutzen immer mehr – vor allem aber jüngere – Patienten ihre Versichertenkarten als elektronische Patientenkarte, auf der alle ihre Gesundheitsdaten (Diagnosen, Röntgenaufnahmen, Therapie etc.) abgespeichert sind.

Schluss mit Faxen: Hier kommt die ePA

Die elektronische Patientenakte (ePA) verbessert die Gesundheitsversorgung enorm: Informationen fließen schneller, die vielen verschiedenen multidisziplinären Akteure im Gesundheitssystem können sich gegenseitig schneller ins Bild setzen und effizienter kommunizieren (Stichwort: Vermeidung von Doppeluntersuchungen), kritische Medikamentenverordnungen werden früh genug entdeckt, in Notfällen kann schneller reagiert werden, weil die Diagnostik viel einfacher ist, wenn über einen Patienten schon Informationen vorliegen. Auch in der ambulanten Pflege würde sie die Kommunikation und folglich die Versorgung deutlich verbessern.

Doch leider ist die Digitalisierung des Gesundheitssystems in Deutschland noch nicht so weit fortgeschritten wie etwa in skandinavischen Ländern oder auch in Estland, wo 99 Prozent der Bevölkerung eine digitale Patientenakte haben. Gerade die ambulante Pflege arbeitet hierzulande noch häufig mit Dokumentation auf Papier. Zwar ist die Digitalisierung bei der Planung der Einsätze und der Touren weit verbreitet, aber patientenbezogene IT-Lösungen wie die Pflegedokumentation sind seltener. Die Umfrage „Chancen und Hemmnisse der Digitalisierung“ (2017) im Auftrag der Bank für Sozialwirtschaft unter 145 Pflegediensten hat ergeben, dass nur 27 Prozent von ihnen eine digitale Pflegedokumentation nutzen. Einen bedeutenden Sprung nach oben hat es seither nicht gegeben: Die Organisation „Care for Innovation“ schätzt den Anteil heute auf 30 bis 35 Prozent.

Wunddokumentation-Apps erleichtern Austausch mit Kollegen, Ärzten und dem MDK

Für die Wunddokumentation gibt es inzwischen eine Reihe von Apps, die eine sichere, verschlüsselte Weiterleitung der gesundheitsbezogenen Daten, wie Befunde, Dokumentation oder Fotos erlauben. Sie hat nicht nur den Vorteil, dass sich Pflegefachkräfte sekundenschnell, noch während sie beim Patienten sind, mit Kollegen oder behandelnden Ärzten austauschen können. Die Anwendungen strukturieren auch die Dokumentation und sorgen so dafür, dass kein Kriterium vergessen wird. So haben Pflegefachkräfte und ambulante Dienste mehr Sicherheit, dass der Medizinische Dienst die Dokumentation nicht als unzureichend beanstandet.

Aber noch viel wichtiger: Die Apps tragen durch die datensichere elektronische Übermittlung dazu bei, dass sich die Versorgungsqualität verbessert. Dies kommt vor allem den Patienten zugute, aber auch allen, die an der Versorgung beteiligt sind: Pflegefachkräften, Ärzten, Therapeuten etc.

Anschrift des Autors: pflege@schluetersche.de

Webwegweiser: www.pflegen-online.de

Weitere Informationen: Tel. 0511 8550-2426

Erschienen auf www.pflege-online.de

Mit freundlicher Unterstützung von Urgo (KIG)

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